Orte, am Meer. #1 Strandbad Eldena

Manchmal hat man Flashbacks, manche mögen auch Dejá vu sagen. Das trifft einen wie ein Knall und plötzlich fragt man sich, was hier? Aber. nein. das ist doch 2 Jahre her.

Eine gewisse Damenriege kann sich bei folgender kleinen Anekdote angesprochen fühlen: 2012 haben wir einen Tagesausflug mit Paule von Berlin ans Meer gemacht, wir waren den ganzen Tag in Lubmin und brauchten zur Krönung ein Fischbrötchen zum Sonnenuntergang. Also sind wir in ein kleines Dörfchen mit Hafen und Brücke gefahren und aßen vortrefflichen Lachs mit ordentlich Zwiebeln. Keine Ahnung wie das hieß, wo wir da waren.

So, jetzt, heute. 2 Jahre später, spaziere ich vom Strandbad Eldena zum kleinen Örtchen Wieck, auf der Suche nach eben diesem, einem Fischbrötchen, und laufe über den Parkplatz und denke: Moment. Hier war ich schonmal. Ohne es zu wissen. Manchmal verbinden sich Orte zu Geschichten und das Leben bringt einen wieder zurück. Verrückt ist das.

Wir waren also in Wieck. Hier mündet der Ryck in die Ostsee (besser: den Bodden) und es gibt ein kleines aber feines Strandbad. Neben einer beschaulichen Anzahl von Segelbooten, kann man in Wieck nicht nur guten Fisch und andere Nördlichkeiten konsumieren sondern auch am Ryckweg bis nach Greifswald spazieren und sich freuen wie schön das ist.

Ryckweg

Oder man geht einfach baden im besagten Strandbad Eldena. Der Weg ins Wasser, bis zu einem schwimmbaren Wasserstand, erinnert ein bisschen an Ungarn und den Balaton, aber es ist schön und es riecht nach Meer und das Wasser ist salzig und im Sand gibt es Muscheln. Das entschädigt. Und ich war das erste Mal in der Ostsee dieses Jahr, das ist ja quasi wie  der zweite Geburtstag jedes Jahr.

 

Tiefenschärfe.

Die beliebteste Frage in den letzten Wochen war Folgende:

“Und, wie gehts dir in der neuen Stadt?”

Mit solchen Fragen verhält es sich ja prinzipiell wie mit kleinen Relativitätstheorien, es gibt einfach keine kurze Antwort. Jeder, der schonmal ein bisschen länger im Ausland verweilt hat, weiß wovon ich spreche und kann zustimmend nicken: “Und wie wars?” ist die Gretchenfrage. Was kann man darauf also antworten?

Schön. Gut. Nett. Neu. Anders. Seltsam.

Richtige Antworten brauchen mindestens ne halbe Stunde und müssen alle funktionalen, abhängigen und unabhängigen Variablen abdecken, das will keiner hören und ich meistens auch nicht mitteilen. Also klassisch: “Es ist ok”. Klappe zu, Affe tot.

Aber mal ehrlich, wie ist das Leben am Meer? Nach dem Gebirge und der großen Stadt? Nach 4 Jahren Studium, in dem man schon so viel gesehen hat? Nach Menschen, die einem ans Herz gewachsen sind? Nach 25 Jahren wieder bei Null anfangen.

“Hallo ich bin Sina und neu hier”. 

Manchmal denke ich daran, wie das mit 20 war. Sicher es war anders, vor allem klein und akzentlastig. Aber am ersten Tag kam ein Wesen mit außergewöhnlicher Tonlage und das hat es leichter gemacht, irgendwie so leicht, das ich auch wenn ich mich bemühe kaum noch was über meine Anfangszeit sagen kann. Außer das ich jünger war und sowieso nichts wusste, außer das ich was mit Medien machen will. Dann kamen die Jahre, die mich enorm geprägt haben, all die Arbeit, all die Nächte, all die Menschen, irgendwann kam auch die Natur auf den Schirm und plötzlich sitzt man im Audimax  und hält sein Abschlusszeugnis in der Hand. 5 Plätze und 4 Jahre nach der Erstiwoche.

Und was will man jetzt? Jetzt weiß ich eigentlich ziemlich genau womit ich mein Geld verdienen will, ich fahre durch Orte und weiß ganz genau wo ich leben will und verbringe die Zeit mit den Menschen, die ich sehen will. Es ist also alles konzentrierter. Weil aber mein innerer Anspruch recht dominant ist, war der erste akademische Grad nicht genug und ein weiterer sollte obendrauf, die Kirsche also.  Dank des erstklassigen deutschen Bildungssystem hat man ja theoretisch die Chance da zu studieren, wo man Lust hat. Praktisch gilt nach dem Bachelor was schon nach dem Abi galt, NC Baby! Gute NC´s reichen in großen Städten nicht, und so muss man dank des Anspruchs schon wieder umziehen und weg von all dem, was man doch eigentlich so sehr wollte. Und plötzlich isst man  Kirschen am Meer. Und vergleicht das Neue mit dem Alten. Ich vertrete die Meinung: Der Quervergleich ist der Sand in den Getrieben der Twenty-Somethings. Links und rechts hört man sich sagen: “Aber ich bin doch schon 25 Jahre alt, andere haben schon ein Start-Up, Kinder, Ponys, Doktortitel, eigene Wohnungen, Weltreisen” und  “das Leben in der Stadt ist eh besser: urbaner, familiärer, kultureller und vertrauter”. Bei so viel Vergleichen kriegt man nicht nur diffuse Bauchschmerzen und den Drang ganz schnell eine Zigarette zu rauchen, sondern hinterfragt sich und alles und jeden und sowieso. Man rutscht vom Hundertsten ins Tausendste und vergisst darüber, wie gut es eigentlich ist, das eigene Leben.

Ich sitze hier in der Uni-Bibliothek und sehe Möwen. Beim Kanufahren kann ich das Meer riechen. Fischbrötchen essen, wann ich will. Auf dem Balkon sitzen, Wein trinken und Musik hören. Mit dem Fahrrad einfach an den Strand fahren, sobald die Sonne scheint. Mit dem Zug in die Stadt und sofort das alte Leben aufnehmen und trotzdem nochmal neu anfangen, ohne Ballast, ohne Erinnerungen.

 Eigentlich, ist alles gut. 

2014-05-13 21.48.04